Oft geht der Insolvenz eines Wohnungseigentümers die jahrelange Nichtzahlung der laufenden Wohngelder und Abrechnungen voraus. Ist die Forderung erst einmal kostspielig tituliert, dann fällt der Schuldner nicht selten in Insolvenz und sein Wohneigentum wird versteigert – sofern der Insolvenzverwalter oder die Bank nicht durch freihändigen Verkauf eine Lösung finden.
Mit Urteil vom 21.07.2011 hat der Bundesgerichtshof sich nun dafür entschieden, die Waffen der Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) zu schärfen, indem es die Wohngeldforderung wie eine öffentliche Last behandelt.
Die Entscheidung:
Nach dem Urteil steht der WEG das Recht zu, auch ohne vorher einen Titel zu haben, gegen den Insolvenzverwalter auf Duldung der Zwangsvollstreckung zu klagen. Damit wird jedenfalls für die Praxis das lange Hin und Her beendet, ob der Insolvenzverwalter das Grundstück freigibt oder nicht, wie es mittlerweile allerdings häufig geschieht, und der WEG das Recht zugestanden, auch ohne vorherige Eintragung einer Zwangshypothek zu klagen und die Versteigerung selbst zu betreiben. Damit ist wegen des absoluten Vorrangs ihrer Ansprüche gem. § 10 I Nr. 2 ZVG immer ein Erlös in Höhe von 5 % aus den geschätzten Verkehrswert sichergestellt.
Kommentar:
Eine Alternative zu dieser Klage gibt es nicht. Einzige Ausnahme:
Die Versteigerung läuft bereits. Dort ist zur Anmeldung der Forderung ebenfalls kein Titel notwendig, sondern in aller Regel nur der Wirtschaftsplan, Jahresabrechnungen und WE-Protokolle (vgl. auch BGH, a. a. O., Rn. 19).
Das wirklich Neue bringt für die Praxis die – in sich nicht stimmigen – Ausführungen des BGH in Rn. 7 und 8 des Urteils, wonach die WEG ihre nach Insolvenzeröffnung fälligen Wohngeldforderungen (also auch die sog. „Abrechnungsspitze“ aus der Jahresabrechnung!) infolge der Regelungen der §§ 49 und 91, Abs 1 InsO nur als Masseforderung gegen den Insolvenzverwalter verfolgen kann mit dem Risiko, nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit sogar – jedenfalls bis zu dieser – teilweise ins Leere zu greifen (s. a. BGH Urt. v. 03.04.2001 – Az.: IX ZR 101/02). Die WEG kann daher auch nicht risikolos warten, bis der Verwalter verkauft und die bis zur Eröffnung aufgelaufenen Gelder bis zur Höhe des § 10 I Nr. 2 ZVG begleicht, sondern muss klagen, um damit ggf. sogar die Freigabe aus dem Vermögen zu bewirken.
Stichtage:
Nach dem Urteil sind folgende Stichtage wichtig:
- Zustellung des Zwangsversteigerungsantrags – Dieser bestimmt, welche Rückstände in die Rangklasse des § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG fallen. Das sind die laufenden Wohngelder und die aus den zwei vorhergehenden Jahren aufgelaufenen Rückstände.
- In der Insolvenz gilt das aber maximal bis zum Tag der Insolvenzeröffnung.
- Diese Einschränkung gilt wiederum nicht bei Freigabe aus dem Insolvenzvermögen.
Wegen dieser Stichtage ist es dringend zu empfehlen, mit den jeweiligen Wohngeldbeschlüssen die Fälligkeit zu regeln, wenn sich diese nicht aus der Teilungserklärung oder Gemeinschaftsordnung ergibt.